Giovanni Paolo Colonna (1637 - 1695)

hat sich als Maestro di Capella an Bolognas wichtigster Kirche San Petronino und Gründungsmitglied der Accademia filarmonica schon zu Lebzeiten einen der hervorragendsten Plätze im italienischen Musikleben gesichert. Er war einer der bedeutendsten Schöpfer geistlicher Musik und wird von Domenico Maria Galeati im Dario e memorie varie di Bologna als Paulo, der Orfeo unseres Jahrhunderts bezeichnet. Solches Lob teilt sich Colonna zwar mit einigen anderen Komponisten auch, aber tatsächlich gehören Colonnas Schöpfungen insbesondere auf dem Gebiet der Liturgischen Musik und des Oratorium zu den bedeutendsten nach Carissimi.

Geboren wurde er am 16 Juni 1637 in Bologna, wo er bei seinem Vater, dem aus Brescia stammenden Orgelbauer Antonio Colonna genannnt dal Corno und dem Organisten Don Agostino Filipuzzi ersten Unterricht erhielt. Von seinem Vater lernte er wohl den Orgelbau, von Filipuzzi das Spielen dieses Instrumentes. Um 1656 ging er nach Rom, um sich unter anderem bei Orazio Benevoli und Giacomo Carissimi im Kontrapunkt unterweisen zu lassen. Mit Carissimi arbeitete er als (inoffizieller) Organist an der Kirche Sant’ Apollinare zusammen. Etwa 1659 kehrte er nach Bologna zurück und wurde er zweiter Organist an San Petronino, um im Jahre 1661 zum ersten Organisten an dieser Kirche aufzusteigen. Während der Interimszeit seit Maurizio Cazzatis Kündigung als Maestro di Capella im Jahre 1671 und 1674 versah Colonna wahrscheinlich schon dieses Amt als Maestro pro tempore, bevor er schließlich am 01. November 1674 zum Maestro di Capella ernannt wurde. Dies blieb Colonna bis zu seinem Tode 1695.

Am 28. November 1695 verstarb Giovanni Paolo Colonna in Bologna. Seine Trauerfeier fand unter großer Anteilnahme in seiner "Hauskirche" San Petronino statt. Von seinen zahlreichen Schülern sind besonders Giovanni Bononcini, Francesco Gasparini, Francesco Urio und Giovanni Maria Clari erwähnenswert.

Kein geringerer als Kaiser Leopold I. ordnete über seinen Kapellmeister Carlo Bussier an, das Colonna von allen zwischen 1686 bis 1692 entstandenen Kompositionen Abschriften anzufertigen habe und ihm für seine Privatsammlung zur Verfügung stellen solle. Ihre Majestät legte laut Aktennotiz vom 22. September 1686 neben geistlicher und weltlicher mit und ohne Instrumenten (das meint zusätzliche Instrumente zum Generalbass) besonderen Wert auf Stücke für einen Sopran oder Bass, ebenfalls mit und ohne Instrumente. Aufgrund dieses kaiserlichen Verlangens sind immerhin 83 geistliche Kompositionen Colonnas in der Leopoldinischen Sammlung erhalten geblieben, darunter etliche Unikate. Eben jener kaiserlichen Privatsammlung, der so genannten Bibliotheca cubicularia (Schlafkammer Bibliothek), entstammt die Handschrift der Klagelieder Jeremias (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Mus. Hs. 15769), welche Colonna wahrscheinlich in den 1680er Jahren komponierte und die in den Gottesdiensten der Karwoche Verwendung fanden.

Sie unterscheiden sich wesentlich von den 1689 gedruckten Lamentationen, die Colonna in Bologna veröffentlichte und die eine komplette Folge von Lesungen enthalten. Diese verteilen sich jeden Tag auf einen Sopran, Alt und Bass. Wie auch in dem Manuskript benutzt Collonna Formeln der gregorianischen Psalmtöne, auf die die Lamentationen in der Messe gesungen wurden. Ein Umstand, für den er glaubt, sich in seiner Nachrede zu den Sacre Lamentationi op. 9 (Bologna op.9)  bei dem Leser entschuldigen zu müssen.

Wie alle Bände der kaiserlichen Sammlung ist auch die Wiener Lamentationen Sammlung in weißes Pergament gebunden. Auf dem Buchdeckel ist kunstvoll in einem Rahmen der Habsburgische Doppeladler mit Reichskrone gemalt.

Lamentatione HEbdomadæ Maioris 
Lamentationen für die Karwoche (Handschrift Wien)                  

Band 1  Zwei Lamentationen für Sopran mit 5 Instrumenten und Bc     
Bestellnummer eba3024
Preis 22,- € (Mail)

Band 2  Vier Lamentationen für Sopran und Basso continuo          
Bestellnummer eba3025
Preis22,- € (Mail)

Band 3  Zwei Lamentationen für Alt und zwei für Bass und Basso continuo
Bestellnummer eba3026
Preis 22,- € (Mail)

Gesamtausgabe als Urtext in einem Band ohne Aufführungsmaterial
(auf Anfrage)                 
Bestellnummer eba3027
Preis i.V. (Mail)


GIOVANNI PAOLO COLONNA
(1637 - 1695)



LAMENTATIONE HEBDOMADAE MAIORIS
Manuskript Wien







GIOVANNI PAOLO COLONNA
(1637 - 1695)



SACRE LAMENTATIONI
DELLA SETTIMA SANTA
op.9






Sacre Lamentationi della settima santa

Neun Lamentationen für die Karwoche  op. 9 (Druck Bologna 1689)

Jeweils drei für Sopran, Alt und Bass                      Urtext         
 
Bestellnummer eba3028
Preis 30,- € (Mail)

Eine kurze Einführung

In den Lesungen der nächtlichen bzw. morgendlichen[1] Matutin, also im Stundengebet des römischen Ritus kommen im Laufe des Jahres sämtliche Bücher der Bibel vor. In der Karwoche werden die Bücher des Jeremias verlesen. Auf die drei großen Kartage (das sacrum triduum) - Gründonnerstag (feria quinta in coena[2] domini ), Karfreitag (feria sexta in Parasceve)  und Karsamstag (sabbato sancto) – treffen die so genannten „Klagelieder des Jeremias“ oder auch „Lamentationen“, in denen die Vernichtung der heiligen Stadt Jerusalem durch die Babylonier im Jahre 587 in dramatischen Worten geschildert wird. Durch die Platzierung in der Karwoche werden sie in Verbindung gebracht mit dem vorösterlichen Leiden Jesu. Jede Matutin besteht aus drei Nokturnen und jede Nokturn wiederum aus drei Psalmen und drei Lesungen.
In den Trauermetten des sacrum triduum, auch Tenebrae genannt, die meist schon am Vornachmittag „antizipiert“ werden, sind die drei Lesungen der ersten Nokturn aus den „Klageliedern“ entnommen, die der anderen beiden aus anderen Büchern.
Man kann sich vorstellen, wie lang eine solche Matutin gedauert hat, vor allem wenn man bedenkt, dass nach jeder Lamentation noch ein Responsorium[3] gesungen wurde, was zumeist ein Stück mit solistischen Anteilen war, welches die Inhalte der Lektion reflektieren und vertiefen sollte. Daher wurde schon sehr früh eine Auswahl getroffen, die erst nach starren Regeln ablief, aber zunehmend beliebiger wurde.
Gemeinsam war aber immer noch die Tradition, dass die Überschrift Incipit lamentatio Jeremiæ mitvertont wurde. Genauso wurde mit den Versziffern verfahren, diese sind die Buchstaben des hebräischen Alphabets (die auch in die Vulgata übernommen wurden): Aleph, Beth, Ghimel, Daleth, He, Vau etc., geendet wird immer mit dem nicht biblischen Text (inspiriert vielleicht durch: Buch des Hosea, 14, 2): Jerusalem convertere ad Dominum, Deum tuum (Bekehre dich, Jerusalem, zu dem Herrn, deinem Gott). Diese Form wurde 1582 endgültig durch das Tridentiner Konzil festgelegt.
Durch das antizipieren wurde die Form bei den Kirchgängern natürlich viel eher angenommen und dadurch entstand der Bedarf nach Werken, dem die Komponisten alsbald Rechnung trugen.
Es entstand die Tradition der Dunkelmesse (Rumpelmesse, Finstermesse(mette), Leçons de Ténébres  etc.), bei der nach jedem Abschnitt eine Kerze eines vielarmigen Leuchters gelöscht wurde, was den Abfall der Jünger vom Herrn versinnbildlichte, bis hin zur völligen Dunkelheit, was die biblisch überlieferte Finsternis bei dem Tode Christi darstellt.

In Frankreich erfreute sich diese Tradition einer immer größer werdenden Beliebtheit und verkam zwischenzeitlich zu einem großen Spektakel, dessen Besuch selbst in einigen Reiseführern empfohlen wurde, zumal die Oper in der Fastenzeit geschlossen war.

Bei den seit Beginn des 16. Jahrhunderts nachgewiesenen „Pumpermetten“ im Salzburger Land, die sich auf noch frühere Lärmbräuche um den Verrat des Judas berufen können, vollführen die Gläubigen im Kirchenraum allerlei Krach, der entweder als Jagd des Judas, als Tumult bei der Gefangennahme Jesu, als Nachahmung des Erdbebens während Jesu Kreuzigung oder auch als Verdammung des Verräters interpretiert wurde.

Olaf Tetampel, Bremen im März 2006


[1] in manchen Orden wurde die Matutin kurz nach Mitternacht gefeiert
[2] cena war die Hauptmahlzeit der Römer
[3] Antwortgesang

Zur Besetzung

Die beiden vorliegenden Lamentationen sind die einzigen mit zusätzlichen obligaten Instrumenten. Am Wiener Hof wurde das Spiel der Viola da gamba sehr gepflegt. Die Standard-Besetzung ist durch viele Kompositionen dieser Zeit belegt: zwei Violinen, Alt - Viola da gamba, Alt- oder Bass - Viola da gamba und Bass - Viola da gamba.
Dennoch ist natürlich auch eine reine Gambenbesetzung wie bei Buxtehudes „Membra Jesu nostri“ (Ad Cor) möglich: S, S, A, A(B), B. Bei einem Violinen - Consort benötigt man zwei Violinen, zwei Violen und ein Violoncello. Als denkbare Harmonieinstrumente sind natürlich noch Theorbe, Orgel und Lirone zu erwähnen.[1]


[1] Kilian Reinhardt: Vormerkbuch der Musikdienste der k. k. Hofkapelle, 1727. Rubriche generali per le Funzioni Ecclesistiche Musicali di tutto l' anno. [...] In Vienna d' Austria l' Anno MDCCXXVII. Nach: Ludwig Ritter von Köchel, Die Kaiserliche Hof-Musikkapelle in Wien von 1534 – 1867 Nach urkundlichen Forschungen, Wien 1869 : Gründonnerstag. Stille Messe bei den Augustinern. Predigt. Solennes Hochamt mit Procession und Hymnengesang. Nachmittag 3 Nocturnen. Hierauf in der grossen Hofkapelle Miserere, comp. von Kaiser Leopold I. auf 4 Stimmen (ohne Orgel), Lira, zwei fünfsaitige Violinen u.a. Instrumente.

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